Goethes Weg von Dudweiler aus über den Berg nach Sulzbach – Ein Kurzbericht
Am morgigen Montag, dem 29. Juni 2020, bzw. am kommenden Dienstag, dem 30. Juni 2020, jährt sich der Besuch von Johann Wolfgang Goethe am Brennenden Berg bei Dudweiler zum 250. Mal auf den Tag genau. Goethe und zwei seiner Straßburger Studienfreunde sind zu Beginn der universitären Johannisferien von dort aus zu Pferde angereist und nachweislich am 26. Juni 1770, einem Dienstag, spätabends in Saarbrücken angekommen. Während sein Freund Engelbach nach dem kurz zuvor bestandenen juristischen Abschluss den Dienst als nassau-saarbrückischer Rat antreten musste, hielten sich Goethe und sein Reisegenosse Weyland drei Tage in Saarbrücken auf. Goethe schreibt: „Präsident von Günderode … bewirthete uns drey Tage…“. Demnach sind die beiden Gäste entweder bereits am 29. oder – wohl eher – am 30. Juni 1770, also Freitags oder Samstags jener Woche, wieder aus (Alt-)Saarbrücken aufgebrochen, um in einer ersten Tagesetappe über Dudweiler, Sulzbach, Friedrichsthal und Bildstock nach Neunkirchen zu gelangen und nach dortiger Übernachtung über Homburg, Zweibrücken und Bitsch in das Elsaß zurückzukehren. Der genaue Tag des vorübergehenden Aufenthalts am Brennenden Berg in Dudweiler lässt sich nicht bestimmen, weil nicht überliefert ist, ob Goethes Angabe von drei Tagen Aufenthalt in Saarbrücken sich auf drei oder vier Übernachtungen bezieht.
In Erinnerung an den berühmtesten Besucher des Brennenden Bergs und als eine Art Hommage an den Besuch des berühmten Dichters und hohen Staatsbeamten zu einer Zeit, da er noch Student war, haben sich fünf Mitarbeiter der Dudweiler Geschichtswerkstatt am Samstag dieser Woche – wenn auch zwei Tag zu früh für die Begehung des erstmöglichen 250. Jahrestags – von der „Hütt“ am Ende der Saarbrücker Straße in Dudweiler außerhalb der regulären Zusammenkünfte der Geschichtswerkstatt getroffen, um von dort aus den genauen Weg zu suchen, den Goethe vor 250 Jahren über den Brennenden Berg genommen haben wird.
Über „Schone Eck“ am Ende der Sudstraße, wo Goethe an der sog. ersten Alaunhütte – das dort noch stehende Wohngebäude wurde ursprünglich als „Läuterhaus“ der dortigen Alaunhütte errichtet – vorbeigekommen ist, führte der Weg zur Straße „An der Teufelsbrück“, dem Ort der zweiten, jüngeren Alaunhütte, von der indes nichts mehr zu sehen ist. Dort werden Goethe und sein Begleiter Weyland mit den Alaunhüttenarbeitern gesprochen haben, die ihnen nicht nur „die Gewinnung und Reinigung dieses so nöthigen Materials“ erläutert haben, sondern auch den Hinweis auf die Aktivitäten des „Herrn Stauf“ (Johann Caspar Stauth, dem Alaunfaktor und Chemiker auf dem Sulzbacher Harzwerk) gegeben haben. Ihm sind sie im Laufe des Tages in Sulzbach noch begegnet.
Von hier aus führte der weitere Weg hinauf zur heutigen Tennishalle des ASC und durch den alten Steinbruch, der zu Goethes Zeiten noch nicht vorhanden war, auf die Höhe des Zugangs zur Schlucht des Brennenden Berges von der Dudweiler Seite her. Goethe schreibt dazu: „ Unser Weg ging nunmehr an den Rinnen hinauf, in welchen das Alaunwasser heruntergeleitet wird, und an dem vornehmsten Stollen vorbey, den sie die Landgrube nennen, woraus die berühmten Dutweiler Steinkohlen gezogen werden. … Nun gelangten wir zu offenen Gruben, in welchen die gerösteten Alaunschiefer ausgelaugt werden, … Wir traten in eine Klamm und fanden uns in der Region des Brennenden Berges.“
Spätere Beschreibungen und Kartenmaterial plausibilisieren diese Wegstrecke, nach denen zu Goethes Zeit die Auslaugung des Alaunschiefers im Bereich um die heutige Tennishalle nach Erhitzung über sog. Röstbühnen in kaskadenartig angelegten Holzbehältern (sog. Kutten) erfolgt und die durch die Bewässerung der eingebrachten Erden entstandene Lauge in die eigentliche Alaunhütte im Tal hinab geleitet worden ist, wo der Eindampfungs- und endgültige Kristallisationsprozess durchgeführt worden ist.
Für die Wandergruppe der Dudweiler Geschichtswerkstatt bestand in der Klamm Gelegenheit zur Rast und zu einer kleinen Ehrung Goethes, indem mit einem Gläschen des Saarländischen Grubenwassers auf den „Geheimen Rat von Goethe“, der in seiner 1812 (10. Buch) abgeschlossenen biographischen Schrift Aus meinem Leben – Dichtung und Wahrheit dem Dorf Dudweiler, seinem Brennenden Berg und den hiesigen bergmännischen und industriellen Aktivitäten ein literarisches Denkmal gesetzt hat, mit einem „Glück auf !“angestoßen worden ist.
Wie schon Goethe und sein Begleiter „kletterten“ wir „aus dieser Tiefe hervor“ und folgten deren Weg ein kurzes Stück bergab in das Neuweiler Tal und diskutierten darüber, ob die in Goethes Text erwähnte Stelle, an der man „einige hundert Schritte weiter in den Wald … bedeutende Merkmale von ergiebigen Steinkohlen zu verfolgen“ gedachte, wegen, wie er weiter berichtet, des dort austretenden Dampfes des Flözbrandes aber wieder absehen musste, auch heute noch aufgefunden werden könnte.
Während die beiden Reisenden 1770 sich weiter nach Sulzbach zum Wohnhaus und Harzwerk des Faktors Stauth begeben hatten, führte der Weg der kleinen Erinnerungs-Wandergruppe über den Bergfestplatz und den Kitten zurück zum Ausgangspunkt in Dudweiler.
Die Wanderung erfolgte als kleiner Ersatz für die eigentlich für den 28. Juni 2020 zwecks Erinnerung an den Goethe-Besuch vor jetzt 250 Jahren geplante Führung im Programm der VHS des Regionalverbands Saarbrücken – VHS in Dudweiler, die den Einschränkungen durch Covid-19 zum Opfer gefallen ist. Sie soll nach derzeitiger Planung Anfang des nächsten Jahres erneut angeboten werden. Das hat zugleich den Vorteil, dass die dann vegetationsarme Zeit bessere Einblicke in die wenigen und oft verborgenen landschaftlichen Relikte des Bergbaus und der Alaunherstellung erlaubt.
Beitragsbild: H. Sauer – Fotos im Text: Petra Maria Scheller, 2020