Nachruf: Bühnenreif-Saar e.V. trauert um Helga Gertrud Tauscher

(Nachruf)Am 2. April dieses Jahres verstarb Helga Gertrud Tauscher aus Neuweiler an den Folgen einer Thrombose. Helga war jahrelanges und leidenschaftliches Mitglied in dem Theaterverein Bühnenreif-Saar e.V..

Ein Nachruf für eine ganz besondere Frau:

Am 2. April starb Helga Gertrud Tauscher geb. Preuß aus Neuweiler. Sie war eine großartige, beliebte, herzenswarme und inspirierende Persönlichkeit und wäre im nächsten Jahr 90 Jahre alt geworden. Trotz ihres hohen Alters war sie körperlich und im Herzen jung, agil und fit, voller Lebensfreude und Pläne.

Mehrmals im Jahr fuhr sie mit ihrer Tochter Heide gemeinsam zum Fitness-Urlaub. Der Nächste stand gerade kurz bevor, als plötzliche Schmerzen im Bein sie auf unerwarteter Weise ausbremsten. An Karfreitag ging sie ins Krankenhaus und hoffte, bald wieder gesund entlassen zu werden, um ihren Urlaub antreten zu können. Doch am frühen Dienstagmorgen starb sie völlig überraschend.

Ihre große Liebe war das Theaterspiel. Bis zuletzt stand sie auf der Bühne des Amateur-Theaters „Bühnenreif Saar“. Sie spielte große Rollen, wie im letzten Jahr zum Beispiel die Lady Bracknell in Oscar Wildes „Bunbury“ und bekam für ihre wunderbare Darstellungen stets großen Applaus!

Helga hatte eine bewegte Lebensgeschichte.

Ursprünglich stammte sie aus Stettin. Mit ihrer Familie (drei Geschwister) musste sie vor den Nazis nach Dänemark in ein Internierungslager flüchten. Im Alter von zehn Jahren verlor sie ihre Mutter, nur zwei Jahre später ihren Vater und war bereits als junges Mädchen mit zwölf Jahren Vollwaise. Onkel und Tante aus Leipzig nahmen sie auf, wo sie aufwuchs und die letzten Kriegsjahre erlebte. Gerade einmal 18 Jahre alt, bewohnte und bewirtschaftete sie nach Kriegsende einige Jahre ganz alleine eine riesige, von militärischen Truppen ausgeraubte Villa (ohne Heizung), nachdem ihre Verwandten aufgrund politischer Bedrohungen nach West-Berlin geflüchtet waren.

Sie arbeitete in einer Farbenfabrik, wo sie auch ihren Mann Hans kennen und lieben lernte. Kurz vor Schließung der Ost-West-Grenze flüchteten auch sie mit nur einer Tasche Gepäck über Berlin nach Westdeutschland und kamen bei einer Tante in Hamburg unter. Hier heirateten die beiden am 15. Juni 1957.

Zwei Jahre später zog es das Paar ins Saarland, wo sie zunächst in Sankt Ingbert lebten und ab 1963 in Neuweiler.

1960 kam Tochter Heide und 1965 Sohn Karsten zur Welt.

Während ihr Mann berufstätig war, sorgte sie für die Kinder und den Haushalt und half mit kleinen Gelegenheitsarbeiten, die Haushaltskasse aufzubessern. Hans war sehr kreativ und malte leidenschaftlich gerne. Viele seiner Gemälde zierten die gemeinsame Wohnung.

Am 12. April 2010 verstarb ihr geliebter Hans. Ihre Trauer war tief. Was ihr half, war der Beistand ihrer Kinder und ihrer „zweiten Familie“ dem Theater.

Schon im Lager in Dänemark hatte sie als Mädchen erste Berührungspunkte mit dem Theaterspiel. Sie träumte von einer Karriere als Schauspielerin. In Ost-Berlin sprach sie einmal bei Intendantin Helene Weigel (der Frau von Berthold Brecht) vor und hoffte, im dortigen Theater aufgenommen zu werden. Hier bestätigte man ihr großes Talent und stellte ihr eine Ausbildung als staatliche Schauspielerin in Aussicht. Doch als Auflage hierfür sollte sie zunächst eine Arbeit in einer Fabrik annehmen, um noch etwas zu „reifen“ und unter anderem eine vorgesehene Rolle als Arbeiterin überzeugend spielen zu können.

Das schreckte Helga ab, und sie begrub ihren Traum einer großen Theater-Karriere.

Ende der 70er Jahre später trat sie im Saarland der Amateur-Theatergruppe „AT 79“ und später der „Gruppe 63“ unter der Leitung von Dr. Dieter Staerk bei.

Gerne hätte sie auch auf der Bühne des Staatstheaters gestanden, aber sie besaß weder Führerschein noch Auto.

Von 1980 an konnte sie nun ihre Leidenschaft leben und probte und spielte Jahr für Jahr viele Rollen – in humorvollen Sketchen aber auch in Märchenspielen oder abendfüllenden Theaterstücken. Akribisch hat sie dabei ihre Rollen alle aufgelistet und festgehalten. Die Gemeinschaft im Ensemble und das Lernen der seitenweisen Texte hielt Helga körperlich wie geistig jung und fit. Sie liebte besonders den Kontakt und den Umgang mit jungen Menschen, das Spiel in einer Seniorengruppe kam ihr nie in den Sinn. 2010 war sie Gründungsmitglied des Theatervereins „Bühnenreif Saar“, wo sie im letzten Jahr bei mehreren Aufführungen von Oskar Wildes „Bunbury“ vom Publikum gefeiert wurde. Die Gruppe bezeichnete sie als „ihre zweite Familie“. Hier spielen Darstellerinnen und Darsteller vom jugendlichen bis zum reifen Alter gemeinsam.

Das war auch der Grund, warum sie nicht zu ihrer Tochter oder ihrem Sohn zog, die mit ihren Familien mittlerweile nicht mehr in ihrer Nähe leben. Zu sehr hätte sie ihren Verein und die Mitglieder vermisst.

Täglich informierte sie sich als treue Abonnentin der Saarbrücker Zeitung über das aktuelle Zeitgeschehen und lernte außerdem täglich einen Artikel auswendig, um ihre geistige Fitness zu trainieren.

Die fitte Dame war allen ein besonderes Vorbild und sie ermutigte immer jeden. Stets hatte sie für alle ein offenes Ohr und lobende Worte. Alle profitierten von ihrer Erfahrung, die sie gerne teilte. Erst kürzlich war sie mit einigen Ensemblemitgliedern mit nach Stuttgart gefahren, um dort beim jährlichen Contergan-Kongress bei einem Stück mitzuwirken, das die Gruppe eigens für diesen Anlass geschrieben hatte.

Vor wenigen Monaten haben die Proben zu einem neuen Bühnenstück von Agatha Christie begonnen, das die Gruppe im kommenden Jahr aufführen wird. Auch hier sollte Helga wieder eine wichtige Rolle übernehmen, den Text hatte sie bereits gut gelernt.

Helga war eine starke Säule und das warme Herz der Theatergruppe „Bühnenreif Saar“. Ihr plötzlicher Tod trifft die Mitglieder sehr und sie hinterlässt eine große Lücke im Verein.

Bei ihrer Beisetzung Anfang April wurde ihre Asche gemeinsam mit der Asche ihres geliebten Mannes Hans in einem gemeinsamen Grab in Neuweiler beigesetzt. Viele Wegbegleiter, ihre Kinder und zahlreiche Enkelkinder nahmen dabei gemeinsam mit ihrer „zweiten Familie“ von ihr Abschied.

Alle können es noch immer nicht fassen, dass Helga nun nicht mehr da ist. Sie war eine sehr besondere Frau, die sehr zugewandt und offen war. Niemals hörte man von ihr ein klagendes oder böses Wort. Sie war modern, aufgeschlossen, warmherzig und lachte gerne. Die Mitspielerinnen und Mitspieler vermissen sie sehr.

Text und Bilder: Petra Pabst

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